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und Panikmodus
Vom Umgang mit Ängsten
bei angeborenen Erkrankungen
Wie beeinflussen angeborene Erkrankungen Ängste bei Kindern?
Eric war fünf Jahre alt, als er zum ersten Mal bewusst erlebte, dass andere ihn als "seltsam" ansahen. Er war mit seinen Eltern im Schwimmbad, als ihn ein anderer Junge von Kopf bis Fuß ansah - und weglief. Später kam er zurück und fragte Eric nach seiner Narbe auf der Brust.
Aber Eric konnte selbst nicht sagen, was es damit auf sich hatte. Er fühlte sich anders und irgendwie seltsam.
Warum war ausgerechnet er anders als die anderen?
Warum hatten die anderen Kinder keine Narbe auf der Brust?
Warum zeigten manche mit dem Finger auf ihn und tuschelten?
An diesem Tag wollte Eric gar nicht mehr im Schwimmbad bleiben, weil er die Blicke der anderen Kinder spürte.
An diesem Tag begann Eric, sich von Gleichaltrigen zurückzuziehen und hatte Angst, sich vor anderen Kindern umzuziehen.
Von seinen Eltern erfuhr er, dass die Narbe von einer Herzoperation stammte und was es damit auf sich hatte. Eric war ein Junge mit einem angeborenen Herzfehler.
Bei jeder Kontrolluntersuchung wurde er daran erinnert, dass er anders als andere war und er brauchte lange, bis er sich nicht mehr schämte.
Angeborene Erkrankungen stellen für jedes Kind, für jede Familie eine große Herausforderung im Leben dar. Etwas zu haben, was andere Kinder nicht haben, ist oft nicht leicht zu verarbeiten. Die Scham über das Anderssein, die Angst vor der Bewertung durch andere und das Gefühl, irgendwie in der eigenen Identität "beschädigt", eben nicht gesund zu sein, sitzen oft tief.
Nicht selten entstehen in der Folge Ängste: Die Angst, nicht gemocht zu werden, Angst vor Ausgrenzung oder die Angst, ohne die direkte Anwesenheit der Familie "schutzlos" zu sein, sind nur einige davon.
Auch für die Eltern ist die angeborene Erkrankung des eigenen Kindes eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe. Medizinische Details und Notwendigkeiten stehen oft im Vordergrund, so dass die psychische Belastung von Eltern und Kind oft "übersehen" wird. Dabei ist es gerade für Kinder mit angeborenen Erkrankungen wichtig, sich verstanden zu fühlen.
Das braucht dein Kind jetzt von dir
Was ist es, was dein Kind jetzt von dir braucht? Im Grunde genommen ist es das, was jedes Kind braucht - nur noch etwas mehr davon:
- So geliebt werden, wie es ist.
- In seinen Gefühlen verstanden werden (die Angst vor der nächsten Operation oder auch den abweisenden Blicken der Anderen, die Scham, die Wut auf das Schicksal).
- Menschen, die selbst Freude am Leben und dem Lebendigsein haben und die dem Kind ein möglichst aktives und stabiles Umfeld bieten.
All das ist jetzt wichtig, damit dein Kind sich selbst mit seiner Erkrankung und in seiner Identität annehmen kann.
Auch der Blick auf die Realität - so schwierig er manchmal sein mag - wirkt sich angstmindernd auf dein Kind aus.
Was bedeutet diese Erkrankung?
Was ist deinem Kind im Leben möglich?
Was nicht?
Welche medizinischen Maßnahmen müssen ergriffen werden?
Denn wenn das Gefühl der Angst zu groß wird, neigen viele Menschen dazu, die Realität auszublenden.
Dabei sollten wir hier eine wichtige Unterscheidung treffen:
die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht.
Angst ist die Befürchtung, das Kopfkino, die Fantasie, was alles passieren und sein könnte.
Furcht dagegen bezieht sich auf etwas Reales - und die Krankheit des Kindes kann etwas sehr Reales sein.
Deshalb braucht Furcht auch den Blick auf die Realität und wird automatisch gemildert, je mehr wir lernen, mit dieser Realität umzugehen.
Zwischen Überbehütung und Überforderung
Eltern von Kindern mit angeborenen Erkrankungen stehen vor einem schwierigen Spagat: Auf der einen Seite wissen sie um die mangelnde Belastbarkeit ihres Kindes und die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf den Alltag. Andererseits wollen sie ihrem Kind ein möglichst unbeschwertes und gutes Leben bieten.
Kommt dir das bekannt vor?
Auf der einen Seite hast du den ganz wichtigen und natürlichen Impuls, dein Kind vor allen Gefahren zu beschützen und für dein Kind da zu sein und auf der anderen weißt du, wie wichtig es ist, dein Kind loszulassen, damit es seine eigenen Schritte in sein eigenes Leben machen kann.
Nicht wenigen Eltern geht es so, dass sie in dieser Situation völlig automatisch viel näher am Kind dran sind, als es für eine altersentsprechende Ablösung und Entwicklung vielleicht wichtig wäre.
Ganz zu schweigen, von der eigenen Herausforderung, mit all dem eigenen Gefühslkuddelmuddel klarzukommen: Scham und Schuldgefühle, Enttäuschung und Wut über den letzten Satz, den der Arzt gesagt hat, Angst um das Leben deines Kindes, Angst, dass es sich mit Freunden schwertut, und so weiter und so fort.
Schritt 2: Realitäts-Check
Auf die Frage: Ist denn diese Trennungs-Angst für Lucas in irgendeiner Art sinnvoll, war Katrin empört: Natürlich nicht!! Ich bin doch immer für ihn da, wenn er mich braucht, und er sollte doch langsam mal merken, dass ich auch noch am Leben bin, wenn er am nächsten Tag aufwacht.
Ein Schauder fuhr durch Katrin. Sie schien sich an etwas zu erinnern.
Zögernd brach es aus ihr heraus: Aber ich, ich war mir nicht immer sicher, ob er am Leben ist.
Sie erzählte, dass Lucas als Frühchen auf die Welt kam.
Lucas wurde schließlich, nachdem er sich gut entwickelt hatte, nach Hause entlassen.
Plötzlich hatte er einen Atemstillstand.
Wenn Katrin dies nicht mitbekommen hätte, wäre er heute vermutlich nicht mehr am Leben.
Möglicherweise durch dieses Ereignis und die Folgen daraus hat sich bei Katrin das Bild entwickelt, notfalls immer für ihren Lucas da sein zu müssen und bei Lucas umgekehrt,
ohne seine Mutter nicht vollständig lebensfähig zu sein.
Die Angst vor Dunkelheit und Einbrechern wirkten wie eine Begründung für den Verstand,
dass die Ängste noch wichtig wären. In der Realität aber waren diese Ängste nicht mehr notwendig.
Sie entstanden in einer Lebensphase, als sie eine Bedeutung zwischen Katrin und Lucas hatten, aber jetzt mit 10 Jahren, waren plötzliche Atemaussetzer bei diesem gesunden Jungen wirklich unwahrscheinlich.
Wohin mit den eigenen Sorgen
um dein Kind?
Wohin kannst du diese Gedanken und Gefühle tragen?
Welche Freunde sind diejenigen, die dir zuhören und nicht gleich beschwichtigen, sondern auch akzeptieren, dass es für dich so ist, wie es ist?
Bist du selbst jemand, der dich annimmt - mit all den Gedanken und Gefühlen, wie es dir gerade geht?
Wichtig ist, dass du dir eingestehen darfst, dass diese Gedanken und Gefühle da sind und dass sie auch da sein dürfen, ja, dass sie eine ganz wichtige und normale Reaktion auf das sind, was du mit deinem Kind erlebst.
Dein Kind braucht dich! Als stabile und mutmachende Mama bzw. Papa.
Das gelingt dann am leichtesten, wenn du Zeiten und Menschen hast, die dich selbst mit deinen Sorgen annehmen. Menschen, die vielleicht dein Schicksal teilen. Jedes Mal, wenn es uns als Eltern gelingt, die Wahrheit zu sehen - keine beschönigte Wahrheit, aber auch keine katastrophisierende Wahrheit - können wir genau die Schritte gehen, die für unsere Kinder nun im Leben wichtig sind. Die Schritte, die wichtig sind für ein körperlich möglichst gesundes Leben und Schritte, die für eine seelisch gesunde Entwicklung wichtig sind, für ein stabiles und gesundes Selbstbewusstsein unseres Kindes.

Dein Stefan Hetterich
P.S. Gerne unterstütze ich dich mit den Informationen, die du brauchst, um dein Kind in ein psychisch stabiles und seelisch möglichst gesundes Leben zu begleiten.
Falls dein Kind beispielsweise unter Ängsten leidet, schenke ich dir gerne mein kostenfreies eBook zum Thema Kinderängste. Zudem bekommst du von mir jede Woche Impulse und Gedanken, die dir helfen können, mit psychischen Problemen deines Kindes umzugehen.
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