"Wieviel ist okay?"
Mediennutzung: Warum die Frage nach der Handyzeit nicht weiter führt
Du sitzt am Esstisch und freust dich darauf, endlich von deinem (jugendlichen) Kind mal zu erfahren, was heute so los war. Aber was macht dein Kind? Es zieht das Handy aus der Tasche und scrollt über den Bildschirm. "Nur kurz noch." "Ja, ich tu's ja gleich weg." "Das ist wichtig, ich muss nur noch schnell antworten."
Gab's da mal nicht eine Vereinbarung? Ja, eigentlich hattet ihr das Thema gestern erst und vorgestern und vorvorgestern und überhaupt. Dir fehlen die Worte. Solltest du einschreiten? Du weißt, wenn du das tust, ist der Abend gelaufen? Also doch lieber ruhig bleiben und geduldig abwarten. Oder macht das alles nur schlimmer?
Du bist das Thema leid und würdest am liebsten den Stecker ziehen. Wortwörtlich. WLan weg, einfach mal offline. Vielleicht bekommst du dann wieder dein Kind zu Gesicht. Fragen zur Mediennutzung gehören zu den größten Unsicherheiten von Eltern heute – und das ist kein Wunder.
In diesem Artikel schauen wir gemeinsam hin: Warum belasten Medienfragen viele Familien so sehr? Und worauf kommt es im Umgang mit der Mediennutzung deines Kindes eigentlich an?
Medienfragen belasten und verunsichern
Und genau hier beginnt das eigentliche Dilemma:
Wir wollen das Richtige tun, wir wollen unsere Kinder schützen – aber wir wissen oft nicht genau, wie. Wir schwanken zwischen Verboten und Nachgeben, zwischen Kontrolle und Vertrauen. Und je unsicherer wir sind, desto größer wird oft der Frust auf beiden Seiten.
Überall lesen wir: „Bildschirmzeit schadet der Entwicklung“, „Social Media gefährdet die Psyche“, „Spiele machen süchtig“. Gleichzeitig spüren wir im Alltag: Unser Kind will dazugehören, mitreden können, nicht außen vor bleiben.
Und dann ist da noch die innere Stimme: „Ich kenne mich damit gar nicht mehr richtig aus – wie soll ich da gut reagieren?“ Es ist völlig normal, dass Eltern hier verunsichert sind. Schließlich bewegen wir uns in einem Feld, in dem sich die Spielregeln gefühlt ständig ändern.
Warum Eltern oft in die gleiche Falle tappen
Viele Eltern reagieren auf Medienunsicherheit zunächst mit dem, was naheliegt:
- mehr Regeln aufstellen,
- Medienzeiten begrenzen,
- strengere Kontrolle ausüben.
Das ist absolut verständlich – schließlich wollen wir unsere Kinder schützen. Aber hier liegt die erste Falle: Wenn wir nur noch auf Regeln setzen, verlieren wir leicht den Kontakt zur eigentlichen Frage: Was steckt hinter der Mediennutzung meines Kindes?
Und vielleicht verlieren wir sogar den Kontakt zu unserem Kind.
Vielleicht hast du dir auch schon eine (oder mehrere) dieser Fragen gestellt:
- Ab wann ist ein eigenes Handy okay?
- Wie viel Bildschirmzeit ist noch gesund?
- Was darf mein Kind online anschauen oder spielen?
- Wie begleite ich, ohne nur zu verbieten oder zu kontrollieren?
All diese Fragen haben keine pauschalen Antworten – denn gleichzeitig sind auch diese Fragen wichtig: Ist es wirklich nur Langeweile? Oder sucht mein Kind Anschluss, Zugehörigkeit, Ablenkung von Unsicherheiten, Erfolgserlebnisse?
Wenn wir nur auf das „Wieviel?“ schauen, verpassen wir oft das „Warum?“.
Es braucht mehr als Regeln
Medienerziehung ist kein Kampf um Stundenpläne. Sie ist eine Beziehungssache. Dein Kind braucht dich nicht als Polizist:in – es braucht dich als Begleiter:in.
Das bedeutet:
- neugierig bleiben, was dein Kind in der digitalen Welt fasziniert,
- offen sein, worüber es sich austauschen will,
- gemeinsam überlegen, was gut tut und was schadet.
Eine klare Haltung hilft dir, nicht bei jedem Streit wieder neu ins Schwimmen zu geraten. Und sie gibt deinem Kind Orientierung, die tiefer wirkt als jedes Verbot.
Was wir als Eltern wirklich brauchen:
Klarheit und Haltung
beim Thema Mediennutzung
Was dein Kind von dir braucht, ist nicht, dass du alle TikTok-Trends kennst oder jede App perfekt verstehst. Es braucht dich auch nicht als Richter:in über die minutengenaue Medienzeit.
Es braucht dich als Elternteil, der:
- neugierig bleibt,
- bereit ist, zuzuhören,
- und eine eigene Haltung entwickelt, die zu eurer Familie passt.
Das heißt: nicht nur Regeln und Verbote, sondern ein Grundverständnis. Was bedeutet Mediennutzung für die Entwicklung? Was stärkt mein Kind? Und wo braucht es Grenzen, die schützen?
In der Elternakademie begleite ich Mütter und Väter dabei, ihren eigenen Weg im Umgang mit psychischen Krisen ihres Kindes zu finden.
Übermäßiger Medienkonsum kann dabei ein Warnsignal sein – oft steckt mehr dahinter, als nur Langeweile oder Gewohnheit.
👉 Hier erfährst du mehr über die Elternakademie. Der Elternkompass zeigt dir konkrete Wege, wie du mit übermäßigem Medienkonsum und anderen herausfordernden Themen hilfreich umgehen kannst.
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